15.11.2012: Führung durch die Ausstellung „Natur und Poesie um1900 – Otto Modersohn, Paula Modersohn-Becker und Worpswede“
Momentan gibt es zwei Ausstellungen in Karlsruhe, die sich mit der Zeit um 1900 beschäftigen, der Zeit, in der die Grötzinger Malerkolonie entstanden ist. Das Karlsruher Künstlerhaus befasst sich mit Werken von Gustav Kampmann und Jenny Fikentscher, die Städtische Galerie widmet sich dem Künstlerehepaar Otto Modersohn (1865-1943) und Paula Modersohn-Becker (1876-1907). Nach einer Führung durch das Künstlerhaus Ende Oktober (s.u.) konnte am 15.11.2012 der Freundeskreis Badisches Malerdorf in einer Exklusiv-Führung durch die Leiterin der Städtischen Galerie, Frau Dr. Baumstark, nun zwei Vertreter der Worpsweder Künstlerkolonie miteinander und untereinander vergleichen.
Im Jahr 1888 war Otto Modersohn von den in einer Münchner Kunstausstellung gezeigten Werken der Karlsruher Maler Baisch, Schönleber und Kampmann derart begeistert, dass er beschloss, Schüler bei Baisch zu werden. So werden in der Städtischen Galerie gleich am Anfang des Rundgangs drei Bilder der drei Vorbilder vorgestellt. Speziell Kampmanns „Rheinüberschwemmung bei Karlsruhe“ zeigt die Motivteile Wasser, Wolken, Lichtstimmungen, die in Modersohns Bildern immer wieder auftauchen. Während seines Studienjahres in Karlsruhe besuchte er mehrmals das Dorf Grötzingen, das schon bevor sich Kallmorgen hier niederließ, ein beliebtes Ausflugsziel der Karlsruher Künstler war. In seinem Tagebuch beschreibt er seine Eindrücke: „Gänse und Kinder auf grüner Wiese, helle bläuliche Luft, Obst-bäume; solche Sachen werde ich, auch Blüthenbäume, besonders im Frühjahr suchen„. Dazu kam es allerdings nicht, denn er verließ Karlsruhe, wenig später wurde er zum Mitbegründer der Künstlerkolonie Worpswede.
Dementsprechend werden neben frühen Werken hauptsächlich Bilder aus Worpswede gezeigt, darunter auch der 54m hohe Weyerberg, den Vereinsmitglieder bei der Kunstexkursion im Jahr 2009 schon „bestiegen“ haben. Besonderen Wert legt die Ausstellung auf den Vergleich der Darstellungsweise von Landschaft und von Personen in den Bildern von Otto Modersohn und denen von Paula Modersohn-Becker. Ist er noch dem damals gängigen Stil verhaftet, orientiert sich seine Frau bereits am französischen Expressionismus mit flächenhaften Farbaufträgen, die keinen Gesamteindruck einer Landschaft wiedergeben, sondern in Ausschnitten die Stimmung und Poesie einfangen.
Am Ende bedankte sich die zweite stellvertretende Vereinsvorsitzende Frau Dietz bei Frau Dr. Baumstark mit einem Blumenstrauß für die intensive und informative Führung durch die Ausstellung, die noch bis zum 17. Februar 2013 zu sehen ist.
25.10.2012: Führung durch die Ausstellung „Um1900 – Jenny Fikentscher und Gustav Kampmann“
Dem BBK Karlsruhe ist es gelungen, eine Vielzahl von größtenteils noch nie gezeigten Werken von Jenny Fikentscher (1869-1959) und Gustav Kampmann (1859-1917) zusammen zu tragen und sie in seiner Galerie im Künstlerhaus Karlsruhe zu präsentieren. So hängen hier Zeichnungen und Gemälde in Öl oder Aquarell von Jenny Fikentscher, die Blumenstillleben und Dorfansichten zum Teil aus der Umgebung Grötzingens zeigen, aber auch Künstlerpostkarten sowie Menü- und Speisekarten, die sie als Lithographien zum Gelderwerb herstellte. Von Gustav Kampmann sind Ölgemälde und Lithographien zu sehen, die damals vom Karlsruher Künstlerbund gedruckt wurden. Der Betrachter erkennt darauf noch heute den Turmberg, den Grollenberg, den Hopfenberg, die evangelische Kirche, teilweise in Morgen- oder Abendstimmung, oft auch mit dem für Grötzingen typischen Rot des Sonnenaufgangs.
Durch diese Ausstellung hat am 25.10.2012 Frau Simone Dietz, die zweite stellvertretende Vorsitzende, ca. zwanzig Mitglieder unseres Vereins geführt. In ihren erzählerischen, mit vielen Einzelheiten aus dem Leben der Künstler versehenen Erläuterungen zu den ausgewählten Bildern vergegenwärtigte sie die Bedeutung der beiden Künstler und der Grötzinger Malerkolonie in der damaligen und der heutigen Zeit. Sicher wird der eine oder die andere der Teilnehmer es wert finden, ein weiteres Mal diese Ausstellung zu besuchen, die noch bis zum 18. November dauern wird.
23.09.2012: Kunstexkursion nach Willingshausen
Der Freundeskreis Badisches Malerdorf setzte jüngst die Besuche von Malerkolonien in Deutschland fort. Als Ziel wurde die älteste deutsche Malerkolonie Willingshausen gewählt. Willingshausen liegt mitten im Herzen des Schwälmer Trachtengebietes zwischen Kassel, Marburg und Alsfeld.
Nach knapp dreistündiger Fahrt empfing Bürgermeister Heinrich Vesper die Besuchergruppe und führte sie mit humorvollen Worten durch das Rathaus, das einer kleinen Galerie gleicht. Außerdem erhielten die Grötzinger Kunstinteressierten Informationen über Landschaft, die Entstehung der Malerkolonie, Infrastruktur, Sport-und Freizeitmöglichkeiten der Gemeinde.
Der anschließende Rundgang durch Willingshausen führte zunächst zur Kirche und zum Renaissance-Schloss der Familie von Schwertzell. Weiter wurde der Gruppe das Hirtenhaus vorgestellt, das Domizil der Stipendiaten. Vorbei an schönen Fachwerkhäusern erreichten die Besucher den Erbehof und die Dorfmühle. Bewundern konnten alle die Schwälmer Töpferwaren und die moderne Wasserkraftnutzung der örtlich ansässigen Mühle.
Der Besuch im „Malerstübchen“ mit Gemälden und Fotografien ließ die Geschichte der ältesten Malerkolonie aufleben. Das Malerstübchen ist untergebracht im Gerhardt-von-Reutern-Haus, das den künstlerischen Mittelpunkt Willingshausens darstellt. 1814 kam Gerhardt von Reutern schwer verletzt aus dem Krieg in die heute aus neun Teilorten bestehende Gemeinde. Mit Ludwig Emil Grimm, dem jüngeren Bruder der Märchensammler Jakob und Wilhelm Grimm, arbeitete er zusammen und malte Landschaften sowie Schwälmer Tracht. 1841 folgte Ludwig Kraus und durch ihn erlangte Willingshausen seinen großen Ruf als Malerkolonie. Weitere Maler schlossen sich der Willingshäuser Malergruppe an: Adolf Lins, Hans von Volkmann, Carl Bantzer, Heinrich Giebel, Heinrich Otto und Wilhelm Thielmann.
Die Ausstellung „INK trifft Ludwig Emil Grimm“ war die nächste Besuchsstation. Feststellen konnten die Besucher dass zwischen den Zeichnungen von Ingrid Sonntag-Ramirez Ponce (INK) und Ludwig Emil Grimm Parallelen bestehen. Kernpunkt ist die möglichst realistische Darstellung von Menschen. Wobei es nicht um das reine Abbilden von Äußerlichkeiten geht, sondern es besteht der Anspruch, auch das Innere, also den Charakter des Menschen einzufangen und für den Betrachter sichtbar zu machen. Die neue Kunsthalle, in der das ganze Jahr über Ausstellungen zeitgenössischer und historischer Künstler zu sehen sind, wurde 2005 errichtet.
Zum Abschluss gab es in der „Gürre Stubb“ eine Schwälmer Kaffeetafel mit Präsentation der bekannten Schwälmer Tracht.(Siegfried König)
19.05.2012: Atelierbesuch bei Hans-Peter Fischer
Elf Mitglieder des Vereins nutzten am Samstagnachmittag die Gelegenheit, das Atelier von Hans-Peter Fischer zu besuchen. Schon bei der Begrüßung durch ihn und seiner Frau fiel jedem die große Vielfalt der Bilder im Haus Fischer ins Auge. Folgerichtig wurden wir so Stück für Stück durch das Haus geleitet, um auf diese Weise die Entwicklung in der Malerei von Herrn Fischer nach zu vollziehen.
Angefangen hatte er mit Landschaftsbildern, die bald schon auf die nächste Phase hinwiesen, nämlich die Darstellung fantastisch wirkender, surrealer Situationen. In diesen Bildern hat der Betrachter die Möglichkeit, seine eigene Geschichte zum Bildinhalt selbst zu generieren, was vom Künstler auch gewollt ist, auch wenn sie mit seiner Geschichte nicht übereinstimmt. Einen breiten Raum der Betrachtung nahmen die großformatigen Blumenbilder ein, die entweder in Airbrushtechnik hergestellt oder konventionell mit dem Pinsel gemalt worden sind.
Am Schluss der Führung erläuterte Herr Fischer in seinem Atelier die einzelnen Entstehungsabschnitte seiner Bilder vom Zusammenstellen der einzelnen Bildgegenstände am PC bis zur Übertragung der so entstandenen Komposition auf die Leinwand hin zum eigentlichen Bild.
Bei einem erfrischenden Getränk wurde danach an diesem warmen Frühsommertag im vollerblühten Garten hinter dem Haus über die gesehenen Bilder diskutiert.
02.03.2012: Atelierbesuch bei Sabine Classen
Eine Delegation des „Freundeskreises Badisches Malerdorf Grötzingen“ nahm die Gelegenheit wahr, Einblicke in das Schaffen der weit über die Grenzen der Region hinaus bekannten Künstlerin zu nehmen. Diese baute 2005 in der Kirchstraße in Grötzingen ein Atelierhaus und gründete dort eine Keramik- Akademie. Ihre künstlerische Ausbildung begann mit dem Design- Studium in Pforzheim, dann studierte sie in Nürtingen Keramik und in Kassel bei Prof. Ralf Busz / Vera Vehring „Freie Kunst“. Bekannt wurde sie u. a. durch ihre Wandgestaltungen im Gebäude der Neuen Messe Karlsruhe und der Feuerskulptur „Glühende Pyramide“ zum Karlsruher Stadtgeburtstag 2001.
Bei dem Besuch gab Frau Classen einen Überblick über ihr Schaffen, ihre Lehrtätigkeit im In- und Ausland und ihre Suche nach Wegen der abstrakten Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Objekte. An Beispielen schilderte sie das Entstehen einer Keramik vom Ton bis zur Plastik, die Einflussmöglichkeiten der Glasur, und dass sie zum Brennen größerer Objekte stets die Feuerwehr verständigen müsse. Auf der Suche nach Wegen der abstrakten Gestaltung, die sowohl Rhythmik als auch Bewegung umfasst, hat sich die Künstlerin besonders mit der Lemniskate auseinander gesetzt. Sie ist das gebräuchlichste Symbol für die Unendlichkeit. Als sie dann noch den „umstülpbaren Würfel“ demonstrierte, war das Staunen fast hörbar zu spüren. Ihre Objekte, alles Unikate, die auf 2 Ebenen des Ateliers ausgestellt sind, unterstreichen die Vielseitigkeit ihres künstlerischen Schaffens und spannen Brücken über recht unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten. Ein kleiner Imbiss bot die Gelegenheit zu vertiefenden Fragen, die auch genutzt wurden. (Hermann Bäuerle)
26.01.2012: Führung durch die Städtische Galerie: „Kunst-Stoff“
Seit der Renaissance wird als Maluntergrund die Leinwand benutzt, daran hat sich der Kunstinteressierte gewöhnt. Seit den 1960er Jahren haben Künstler damit begonnen, weitere Materialien nicht nur als Malfläche zu benutzen, sondern auch die neuen Materialien gleich als einen Teil des Kunstwerkes zu betrachten, aus und mit ihnen neue, eigenständige Werke zu schaffen. Die Städtische Galerie Karlsruhe hat den Versuch unternommen, diesen Aspekt in Bezug auf die Materialgruppe Textilien in einer Ausstellung zu präsentieren. Dies erfordert vom Besucher ebenfalls eine Umstellung seiner Sehgewohnheiten, zum Inhalt eines Kunstwerks gehört nun auch das Material, seien es Garne, Fäden, Stoffe, Teppichböden, und auch die Verarbeitungsart, seien es Weben, Stricken, Häkeln, Nähen, alles sollte mit in die Interpretation und die Aussage des Kunstobjekts einbezogen werden.
Unterstützung beim Sicherschließen der Ausstellung erhielten die anwesenden Mitglieder des Freundeskreises Badisches Malerdorf nicht nur von der Leiterin des Städtischen Galerie, Frau Dr. Brigitte Baumstark, sondern auch von der Kuratorin dieser Ausstellung, Frau Dr. Melanie Ardjah. Das zuerst vorgestellte Kunstwerk, ein von den Österreicherinnen Ingrid Wiener und Valie Export entwickelte Gobelin für das Restaurant Bertorelli in London, stellte den Übergang zu diesem neuen Medium dar, sieht er doch von weitem wie Malerei aus, entpuppt sich aber beim näheren Hinsehen als gewebter Wandvorhang. Sigmar Polke verwendet als Untergrund bedruckten Stoff aus den 1960er Jahren, bemalt ihn mit mehreren Reihervögeln und persifliert so den damaligen Wohnzimmer-Geschmack. Rosemarie Trockel greift die inzwischen überwundene Fragestellung, ob Frauen überhaupt Kunst herstellen können, auf und überführt ein Strichbild des Minimalismus-Malers Niele Toroni in ein Strickbild. Gotthard Graubner überzieht einen Block aus Synthetikwatte mit Leinwand, tränkt diese mit grau-schwarzer Farbe und schafft so ein dreidimensionales Wandgemälde. Anja Luithle stellt ein Samtkleid frei in den Raum, das bei Annäherung des Zuschauers zu zittern beginnt, und lässt ihn über die mögliche Trägerin des Kleides nachdenken. Erwin Wurm dagegen stellt einen weiten Pullover zu Verfügung und bittet den Betrachter diesen überzuziehen, um so sein eigenes Kunstwerk zu schaffen. Nada Sebestyén schichtet verschiedene Kleidungsstücke nach dem Zwiebelprinzip übereinander und kann so ihre gesamte Garderobe auf einmal mit sich tragen. Patricia Waller hat „lebensgroße“ Figuren gehäkelt, die in jedes Kinderzimmer Aufnahme finden könnten, hätte nicht der Teddybär einen in den Kopf gebohrten Pfeil, die Puppe keine ins Herz gestochene Schere oder der Pinocchio keine Holzsäge in seiner langen Nase stecken.
Am Ende der zweistündigen Führung bedankte sich der zweite Vorsitzende des Freundeskreises, Herr Dr. Kühlwein, bei beiden Kunsthistorikerinnen für die Unterstützung bei der Ausbildung neuer Sehgewohnheiten und überreichte ihnen jeweils einen Katalog der letzten Ausstellung des Vereins.